Zwei Tage vor der letzten Bundestagswahl wurde (ohne eine naturschutzfachliche Begründung und ohne die Öffentlichkeit vorab zu informieren) Angelverbote in den Naturschutzgebieten der Nord- und Ostsee erlassen? Es ist bis heute die einzige weitreichend verfügte „Schutzmaßnahme“. Wie bewerten sie diesen Umstand?
SPD: Mit der Unterschutzstellung der acht FFH- Gebiete als Naturschutzgebiete (NSG) in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone der Nord- und Ostsee werden die unionsrechtlichen Schutzverpflichtungen nach der FFH-Richtlinie umgesetzt. Diese acht FFH-Gebiete wurden im Jahr 2007 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen und sollten bereits bis Ende 2013 als NSG ausgewiesen werden. Die nicht erfolgte Ausweisung der betreffenden Gebiete war Gegenstand eines von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens.
Da der Zustandsbericht an die Kommission (Berichtsperiode 2007-2012) eindeutig belegte, dass der Erhaltungszustand relevanter Arten und Lebensräume der Ost- und Nordsee ungünstig oder schlecht ist, waren Maßnahmen zu deren besserem Schutz dringend erforderlich. Dabei mussten auch Regelungen für die Fischerei festgelegt werden, um deren negative Auswirkungen auf die Arten und Lebensräume der Meere zu minimieren. Die Schutzgebietsverordnungen mussten, um das Vertragsverletzungsverfahren abzuwenden, schnell – möglichst noch in der letzten Legislaturperiode – verabschiedet werden. Weil sich die Abstimmungen mit dem mitberatenden BMEL aber als äußerst schwierig erwiesen und sich fast bis zum Ende der letzten Legislaturperiode hinzogen, wurden die Schutzgebietsverordnungen durch die Bundesregierung schnell “kurz vor Toresschluss“ verabschiedet.
CDU/CSU: Das federführende Bundesumweltministerium hatte sich in zähen Verhandlungen jeder Kompromisslösung verweigert und die Angelverbote gegen den Widerstand der Union durchgesetzt. Nach unserer Auffassung muss die Freizeitfischerei in Naturschutzgebieten weiter möglich bleiben. Dafür müssen im Rahmen von Dialogprozessen Konzepte einer naturverträglichen Angelfischerei in den Schutzgebieten, insbesondere der AWZ in der Ostsee, erarbeitet werden.
GRÜNE: Für die Angelverbote und die Umstände um ihren Erlass, ist die bestehende Bundesregierung verantwortlich. Fachlich sind Einschränkungen für das Angeln eine der vielen Maßnahmen, die benötigt werden, um die Natura 2000-Gebiete in der Nord- und Ostsee endlich mit wirksamen Schutzmaßnahmen zu versehen. Wir brauchen Schutzgebiete die teilweise komplette Null-Nutzungszonen sind, dazu gehört auch die Einschränkung der Angelfischerei. Es ist ein eklatantes Versäumnis, dass bislang noch keine weiteren Schutzmaßnahmen in anderen Bereichen getroffen wurden.
FDP: Wir Freie Demokraten setzen uns in Bund und Ländern gegen unverhältnismäßige und ideologische Beschränkungen des Angelns ein, seien sie zeitlicher oder örtlicher Art. Wir sprechen uns gegen pauschale Angelverbote in Natura-2000-Gebieten aus. Diese sind für den Natur- und Artenschutz überhaupt nicht hilfreich und sogar kontraproduktiv. Auch die von politisch anderer Seite in den Ländern wiederholt geforderten beziehungsweise verteidigten Nachtangelverbote lehnen wir ab.
DIE LINKE: Über der Kadettrinne zum Beispiel, eines der ausgewiesenen Schutzgebiete in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), liegt die mittlere Schiffsdichte bei bis zu 40 Schiffen pro km² und Tag. Die Seefischerei ist erlaubt, ohne Einschränkungen. Selbst die Gewinnung von Bodenschätzen wird nicht ausgeschlossen. Aber das Angeln ist pauschal verboten. Das ist unverhältnismäßig und muss geändert werden. Wir setzen uns für den Schutz der Natura2000-Gebiete in Nord- und Ostsee ein. Es müssen zügig Möglichkeiten gefunden werden, Fischerei, militärische Nutzung, Ressourcenabbau oder sonstige wirtschaftliche Eingriffe dort zu untersagen. Klar ist aber: Es gibt einen relevanten Unterschied zwischen Ölbohrplattformen und Schleppnetzen oder einem Dorschköder. Wer das Angeln verbieten will, muss fundiert begründen warum, und benennen, was daran konkret mit dem Schutzzweck nicht vereinbar ist.
AFD: Diese Angelverbote lehnen wir aus naturschutzfachlichen Gründen ab. Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass es aus demokratischer Sicht nicht akzeptabel ist, dass die Öffentlichkeit im Vorfeld nicht informiert wurde.